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Die neue Realität der Außendienst-Optimierung: Mehr Anforderungen, weniger Spielraum

Lesezeit: 8-9 Minuten

Der Außendienst verändert sich rasant – mit steigenden Kundenerwartungen, strengeren Verträgen und einem wachsenden Fachkräftemangel. Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC, erläutert, wie Echtzeit-Optimierung, KI und Predictive Planning Unternehmen helfen, ihre Effizienz zu steigern, Kundenzufriedenheit zu verbessern und im Wettbewerb die Nase vorn zu haben.

Interview mit Henjo de Gier, Industry Leader Field Services bei ORTEC Workforce Management.

Datum21 Aug 2025
Field Service-Optimalisierung mit Predictive Planning

Der Außendienst – neben Vertrieb, Merchandising und Inspektionen – dreht sich vor allem um Techniker, die beim Kunden vor Ort Installationen, Reparaturen oder Wartungen durchführen. Früher standen Verfügbarkeit und handwerkliches Können im Vordergrund, heute sind Präzision, Geschwindigkeit und Flexibilität genauso wichtig. Kunden wollen nicht nur wissen, wann ein Techniker kommt, sondern auch wer, wo und zu welcher Uhrzeit. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Strengere Vertragsbedingungen, kürzere Reaktionszeiten und ein massiver Fachkräftemangel setzen die Einsatzplanung unter Druck. Für Henjo de Gier ist das jedoch eine Chance zur Professionalisierung. Mit Daten, intelligenter Software und Echtzeit-Optimierung können Unternehmen nicht nur effizienter planen, sondern auch kundenorientierter agieren.

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

"Der größte Mehrwert liegt in Systemen, die nicht nur planen und dokumentieren, sondern auch vorhersagen, wie man es besser machen kann."

Außendienst im Wandel: Von „irgendwann diese Woche“ zu Echtzeit-Updates

Den Außendienst gibt es, seit Techniker unterwegs sind, um Anlagen zu installieren, Wartungen vorzunehmen oder Reparaturen durchzuführen. Das Ziel – den Job zu erledigen – bleibt gleich, aber die Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Ein „Wir kommen irgendwann diese Woche“ ist heute für Kunden nicht akzeptabel. Sie erwarten präzise Zeitfenster, Echtzeit-Updates zur Ankunft und mitunter sogar Einfluss auf die Technikerwahl.

Die Komplexität wächst zusätzlich: spezialisierte Qualifikationen, strengere SLAs (Service Level Agreements), Nachhaltigkeitsdruck und steigende Kostenanforderungen stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Der demografische Wandel und der Rückgang junger Fachkräfte erschweren die Situation weiter.

Henjo de Gier, Experte für Optimierung und Workforce Management, hat diese Veränderungen hautnah miterlebt: „Früher schickte man jemanden mit einer Liste los und hoffte, dass alles passt,“ erinnert er sich. „Heute geht es um Präzision: die richtige Person, am richtigen Ort, im richtigen Zeitfenster – zwischen Kundenwünschen und operativen Zielen.“

Jeder Tag bringt neue Orte, neue Aufgaben und unerwartete Störungen.

Jeder Tag bringt neue Orte, neue Aufgaben und unerwartete Störungen.

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

Außendienstplanung: Ein dynamisches Puzzle

Der Außendienst zeichnet sich durch Unvorhersehbarkeit aus. Anders als ein Bürojob oder die Arbeit in der Gastronomie, die meist an einen festen Standort gebunden sind, ist der Außendienst ein ständig wechselndes Spielfeld. „Jeder Tag bringt neue Orte, neue Aufgaben und unerwartete Störungen,“ erklärt Henjo. „Planer müssen Fahrzeiten, Verkehr, Ersatzteilverfügbarkeit und die richtige Expertise berücksichtigen. Verschiebt sich nur ein Element – ein Notfall, ein krankheitsbedingter Ausfall oder eine verspätete Lieferung – wirkt sich das sofort auf den gesamten Tag aus.“

Beispiel: Ein Klimatechniker soll Wartungen durchführen. An einem heißen Sommertag kann ein spontaner Defekt bei einem Kunden dazu führen, dass geplante Termine verschoben werden – mit Folgen für die Tourenplanung und Kundenzufriedenheit. „Es ist wie eine Domino-Kette,“ sagt Henjo. „Deshalb ist Flexibilität genauso wichtig wie Struktur.“

Regelmäßige Wartungsarbeiten lassen sich hingegen leichter vorhersagen,“ ergänzt Henjo. „Diese Aufgaben kann man effizient im Voraus mit den Kunden planen. Aber was passiert, wenn ein Notfall eintritt? Lässt man in der regulären Planung bewusst Pufferzeiten oder hält man ein separates Notfallteam bereit? Solche proaktiven Entscheidungen werden immer wichtiger.”

Statische vs. dynamische Planung im Außendienst

  • Statische Planung: Ein Lagerarbeiter, der Paletten am selben Standort bewegt – Zeit, Ort und Aufgaben sind relativ fix.
  • Dynamische Planung: Im Außendienst ändert sich alles ständig. Ein Techniker startet morgens in Berlin, muss mittags einen Notfall in Potsdam übernehmen und endet abends in Brandenburg. Das erfordert Echtzeit-Anpassungen und Systeme, die Chaos in Effizienz verwandeln.

Kundenerwartungen und Technologie als Game-Changer

Zwei Hauptfaktoren prägen den modernen Außendienst: steigende Kundenerwartungen und technologische Fortschritte. Die Zeiten, in denen Kunden mit einem „zwischen 9 und 17 Uhr“ zufrieden waren, sind vorbei. „Heute erwarten Kunden ein genaues Zeitfenster von höchstens einer Stunde – oft sogar weniger,“ sagt Henjo.

Die Digitalisierung spielt hier eine große Rolle: Kunden sind es gewohnt, Lieferungen minutengenau per App zu verfolgen und erwarten dieselbe Transparenz und Kontrolle von ihrem Außendienstanbieter. „Kunden wollen nicht nur wissen, wann der Techniker kommt – sie wollen es selbst festlegen und jederzeit ändern können,“ erklärt er.

Das stellt die Planung vor Herausforderungen. Ein enges Zeitfenster bedeutet weniger Spielraum für eine effiziente Aufgabenplanung. Drei Kunden im selben Viertel wünschen 10:00, 13:00 und 16:00 Uhr. Der Techniker fährt drei Mal, was Zeit und Kosten frisst. „Das ist aus Kundensicht nachvollziehbar, aber operativ ein Albtraum,“ sagt Henjo.

“Man braucht Software, die Verfügbarkeiten prüft, Kunden zu effizienten Zeitfenstern lenkt und Prioritäten in Echtzeit setzt.”

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

KI und Echtzeit-Optimierung für maximale Effizienz

Technologische Innovation ist zugleich Lösung und Herausforderung. Kundenportale und mobile Apps ermöglichen es, Termine direkt zu buchen und Updates zu erhalten – vorausgesetzt, die Systeme können diese Flexibilität verarbeiten. „Man braucht Software, die nicht nur plant, sondern auch vorausschauend reagiert – von der besten Route bis zur Notfallpriorisierung,“ betont Henjo.

Ein System, das automatisch den nächstgelegenen qualifizierten Techniker zuteilt, die effizienteste Route berechnet und dringende Einsätze flexibel einplant.

KI und Echtzeit-Optimierung für maximale Effizienz

Kundenzufriedenheit und operative Effizienz ausbalancieren

Die Vereinbarkeit von Kundenanforderungen und betrieblicher Effizienz ist eine der größten Herausforderungen im Außendienst. „Unternehmen sagen gern ‘Ja’ zum Kunden,“ beobachtet Henjo. „Aber wenn das bedeutet, dass ein Techniker eine halbe Stunde extra fährt, geht wertvolle Zeit verloren.“

Ein Beispiel: Ein Kunde wünscht einen Reparaturtermin am Freitagnachmittag in einer abgelegenen Region, während die Route des Technikers bereits in der Stadt voll ist. „Ja“ zu sagen, führt zu Verzögerungen oder teuren Überstunden.

Diese Spannungen haben auch langfristige Konsequenzen. „Planst du zu oft ineffizient, steigen die Kosten. Bist du zu starr, verlierst du Kunden an flexiblere Wettbewerber,“ warnt Henjo. Die Kunst liegt im Kompromiss: Statt ineffiziente Slots anzubieten, setzen Unternehmen auf Incentives für flexible Zeitfenster – eine Strategie, die man aus dem Online-Lebensmittelhandel kennt. „Manchmal entscheidet man sich, ein ineffizientes Zeitfenster gar nicht erst anzubieten. Lässt man dieses frei, kann man stattdessen vielleicht zwei andere Aufträge dazwischenschieben. Am Ende betreut man mehr Kunden und verbessert das Servicelevel.”

Kulturwandel im Außendienst

Effizienz ist nicht nur Technik, sondern auch Kultur. „Techniker werden meist pro Stunde bezahlt, nicht pro Auftrag,“ sagt Henjo. „Ob sie sechs oder acht Aufgaben schaffen, macht für sie keinen Unterschied – aber für das Unternehmen schon.“ Hier ist Teamarbeit zwischen Planern, Technikern und Management entscheidend, um den Tag optimal zu nutzen.

Predictive Planning: Von reaktiver zu proaktiver Planung

Im Außendienst gibt es zwei Arten von Aufgaben, die unterschiedliche Strategien erfordern:

  • Reaktives Arbeiten: Notfälle, wie ein Wasserrohrbruch oder ein Maschinenausfall, erfordern sofortiges Handeln. „Hier zählt jede Minute,“ sagt Henjo. „Man muss Kapazitäten freihalten und flexibel reagieren.“
  • Proaktives Arbeiten: Geplante Wartungen, z. B. jährliche Heizungsinspektionen, lassen sich bündeln und optimieren. „Das gibt dir mehr Kontrolle,“ erklärt er.

Die Herausforderung: Reaktives und proaktives Arbeiten intelligent zu kombinieren. Ein eng getakteter Wartungsplan kann durch einen dringenden Notruf komplett kippen. „Du musst entscheiden, wie viel Puffer du einplanst,“ so Henjo. „Zu viel bedeutet Leerlauf, zu wenig führt zu Überlastung und Verspätungen.“ Unternehmen nutzen zunehmend Daten, wie z. B. historische Ausfallmuster, um dieses Gleichgewicht zu optimieren.

Predictive Planning: Von reaktiver zu proaktiver Planung

“Mit Daten kann man antizipieren, statt nur zu reagieren. Das macht die Planung effizienter und zuverlässiger.”

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

Optimierung als Umsatztreiber

Optimierung kann der Unterschied zwischen gut und herausragend sein. „Im Transportsektor, wo Effizienz ohnehin hoch im Fokus steht, bringt Optimierung oft 3–5 % Verbesserung,“ sagt Henjo. „Im Außendienst kann es 10 % oder mehr sein, weil hier noch viel Potenzial liegt.“

Ein Techniker, der normalerweise sechs Aufträge pro Tag schafft, könnte durch intelligente Planung sieben oder acht erledigen. In einem Team mit 50 Technikern bedeutet das 50 zusätzliche Aufträge pro Tag – ein erheblicher Umsatzschub ohne zusätzliches Personal. Das ist entscheidend in einer Branche, in der qualifizierte Fachkräfte ohnehin rar sind.

Technologie ist dabei der Schlüssel. Moderne Optimierungssoftware berücksichtigt Faktoren wie Fahrzeiten, Qualifikationen und Kundenprioritäten, um die besten Routen und eine effiziente Aufgabenverteilung zu berechnen. „Planer werden so von wiederholenden Aufgaben entlastet und können sich auf Ausnahmen konzentrieren,“ sagt Henjo. „Die Software erkennt zum Beispiel zwei Aufträge in derselben Straße und schlägt eine kleine Anpassung im Zeitplan vor, die beide Kunden zufriedenstellt.“

Intelligente Außendienst-Planung mit KI und Daten

Die nächste Evolutionsstufe im Außendienst ist predictive Planning. „Mit Daten kann man antizipieren, statt nur zu reagieren,“ erklärt Henjo. „Wie viele Techniker brauchen wir im Winter, wenn Heizungen häufiger ausfallen? Welche Regionen haben die meisten Notfalleinsätze?“ Durch die Kombination historischer Daten mit KI und Machine Learning lassen sich Muster erkennen und Kapazitäten besser planen.

Beispielsweise zeigt die Auswertung, dass ein bestimmter Maschinentyp nach zwei Jahren verstärkt ausfällt. Wartungstermine können so vorausschauend eingeplant werden, bevor ein Defekt auftritt. „Das macht die Planung nicht nur effizienter, sondern auch zuverlässiger,“ sagt Henjo. „Kunden merken, wenn man proaktiv arbeitet – das schafft Vertrauen.“

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Mit zehn Technikern reicht oft noch Excel. Mit hundert brauchst du Systeme, die in Echtzeit alle Variablen verwalten.

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

Die Außendienst-Planung umfasst weit mehr als nur die optimale Routenplanung. „Es geht darum, den richtigen Techniker zum richtigen Job zu schicken – und zwar im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen,“ betont Henjo. „Man schickt keinen Elektriker für eine Sanitärinstallation.“

Auch Schichtpläne, Ersatzteilverfügbarkeit und Service-Level-Agreements (SLAs) spielen eine wichtige Rolle. Die Unternehmensgröße beeinflusst zusätzlich die Komplexität: „Mit zehn Technikern reicht oft noch Excel,“ sagt Henjo. „Mit hundert brauchst du Systeme, die in Echtzeit alle Variablen verwalten – von Skills über Verkehrslage bis hin zu Kundenprioritäten.“

Ein Beispiel liefert ein US-Unternehmen mit 10.000 Technikern in 450 Standorten. „Früher haben sie Routen nach Luftlinie geplant – ineffizient und zeitintensiv,“ erinnert sich Henjo. Erst mit moderner Optimierungssoftware konnten sie Routen effizienter gestalten, Fahrtzeiten reduzieren und Gebiete smarter aufteilen. „Das zeigt, welche Auswirkung der effektive Einsatz von Technologie haben kann“, sagt er.

Digitale Transformation im Außendienst-Management

Viele Unternehmen haben die Basis-Digitalisierung bereits geschafft: Aufträge werden digital erfasst, Techniker nutzen Apps, Planer arbeiten mit Software. Doch der nächste Schritt – strategische Digitalisierung, bei der Daten und Echtzeit-Optimierung die Planung antreiben – wird noch nicht überall genutzt.

„Darin liegt die größte Chance,“ sagt Henjo. „Ein System, das nicht nur protokolliert, was man macht, sondern zeigt, wie man es besser machen kann.“

Kundenerwartungen als Treiber der Optimierung

Die Kunden bestimmen zunehmend das Tempo. „Sie wollen online buchen, Zeitfenster wählen und diese auch kurzfristig ändern,“ sagt Henjo. Das erfordert Systeme mit Echtzeit-Verfügbarkeit, die dennoch effizient bleiben. Wenn ein Kunde einen Termin um 15:00 Uhr möchte, muss das System sofort prüfen, ob dies machbar ist – ohne manuelle Eingriffe des Planers.

Gleichzeitig entstehen neue Geschäftschancen: „Mit Premium-Verträgen kann man Zusatzleistungen anbieten – kürzere Zeitfenster oder bevorzugte Techniker,“ schlägt Henjo vor. „Planung wird damit zu einem echten Differenzierungsmerkmal.“

People Working on a Digital Dashboard

“Was du heute tust, erzeugt Daten, die du morgen nutzen kannst, um besser zu planen. Mit KI lässt sich diese Lernkurve massiv beschleunigen.”

Henjo de Gier, Industry Lead Field Services bei ORTEC

Daten, KI und die Zukunft des Außendienstes

Task Routing – also die Zuordnung bestimmter Aufträge zu spezifischen Routen – ist nur ein Teil des Außendienst-Puzzles. Genauso wichtig ist eine durchdachte Workforce-Planung, betont Henjo: „Wer arbeitet wann – in Spitzenzeiten oder in ruhigeren Phasen? Welche Qualifikationen brauchen wir, und wo müssen diese Mitarbeiter eingesetzt werden? Techniker arbeiten häufig von Hubs aus statt von Büros, daher ist eine gute App für die Kommunikation unverzichtbar.“

Die Routen- und Personaleinsatzplanung ist zudem immer stärker mit der Lieferkettenplanung verknüpft. „Es geht nicht nur um Menschen, sondern auch um deren Fahrzeuge, Werkzeuge und Materialien,“ erklärt Henjo. „Kommt ein Ersatzteil zu spät, steht der Techniker still.“

Daher braucht es einen integrierten Ansatz, der Workforce Management und Logistik miteinander verbindet. „Das sieht man bereits im Lebensmittelsektor,“ ergänzt Henjo. „Erst kommt der Außendienstmitarbeiter, dann die Lieferung und schließlich das Merchandising-Team, das die Regale auffüllt.“

Digitale Zukunft: KI, Daten und integrierte Planung

Die Zukunft des Außendienstes liegt in einem kontinuierlichen Kreislauf aus Daten und Handlungen. „Was du heute tust, erzeugt Daten, die du morgen nutzen kannst, um besser zu planen,“ sagt Henjo. „Mit KI lässt sich diese Lernkurve massiv beschleunigen.“

Man denke an Systeme, die nicht nur Störungen vorhersagen, sondern auch Kapazitäten automatisch reservieren – basierend auf Saisonverläufen oder Kundenverhalten.

Unternehmen, die diesen Weg konsequent gehen, verschaffen sich einen strategischen Vorteil. „Es geht längst nicht mehr nur um Kostenreduzierung,“ schließt Henjo. „Es ist ein Weg, die eigene Wettbewerbsposition in einem zunehmend anspruchsvollen Markt zu stärken.“